Autohersteller, Energiewirtschaft, Politik, Verbraucher – von allen Seiten wird ein zügiger Ausbau der Ladeinfrastruktur gefordert. Dem High Power Charging kommt dabei eine ganz besondere Bedeutung zu – auf Langstrecken sowie in dichten Innenstädten. Doch was plant die Branche und wo hakt es beim Ausbau? Antworten gab es bei unserer 17. Online-Konferenz zum HPC-Roll-out.

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Nicht nur bei der 16. Ausgabe unserer Online-Konferenz im Januar wurde klar: Der weitere Hochlauf der Elektromobilität hängt nicht mehr nur von den geeigneten Fahrzeugen ab, die in immer mehr Segmenten den Endkunden eine elektrische Alternative bieten. Eine wichtige Rolle kommt der Ladeinfrastruktur zu – bis 2030 plant die Politik eine Million öffentlich zugängliche Ladepunkte.

Auf der Langstrecke und für die Laternenparker in den Städten ohne eigene Wallbox sind öffentliche Schnelllader wichtig. Während hier die Planungen laufen – von der Bundesregierung etwa über das viel diskutierte Deutschlandnetz vorangetrieben –, nimmt inzwischen auch die Elektrifizierung der schweren Nutzfahrzeuge immer konkretere Formen an. VDA-Präsidentin Hildegard Müller forderte zuletzt gar ein „Deutschlandnetz für E-Lkw“.

Doch was planen die Unternehmen, die High Power Charger bauen und betreiben? Welche Herausforderungen bringt die aktuelle Marktdynamik? Wie groß ist das Marktpotenzial, wie sieht es mit der technischen Umsetzbarkeit des schnellen Ausbaus aus? Lohnt sich die Investition in einen schnellen, aber teuren HPC eher als in einen günstigeren, aber langasmeren DC-Lader? Wo hat es in der Vergangenheit gehakt, wo muss es künftig besser werden? Werden beim Kampf um die attraktiven Standorte immer die großen Player gewinnen?

Erste Antworten gibt Ionity-CEO Michael Hajesch als erster Speaker der Konferenz in seinem Vortag. Mit der jüngsten Millionen-Investition der beteiligten Autobauer und erstmals auch des Finanzinvestors Blackrock zählt Ionity auf alle Fälle zu den solventeren Teilnehmern am HPC-Markt.

Aktuell hat Ionity 406 HPC-Standorte in 24 Ländern in Betrieb, 26 weitere Standorte sind aktuell im Bau. Dass es in Spitzenzeiten an einigen besonders nachgefragten Standorten bereits zu Warteschlangen kam, wertet Hajesch als Zeichen, dass wir „im Tipping Point mittendrin“ sind. Um Warteschlangen zu vermeiden und den Bedarf auch jenseits des Tipping Points zu bedienen, hat Ionity bereits im November 2021 seinen Plan für die nahe Zukunft vorgestellt: Bis 2025 sollen 7.000 Ladepunkte an 1.000 Standorten in Betrieb sein. Und das in den aktuellen 24 Ländern, eine Expansion darüber hinaus sei derzeit nicht geplant, wie Hajesch bekräftigt.

Prognosen sehen deutlich höheren HPC-Bedarf als vor einem Jahr

Doch wird das 2025 genug sein? Hajesch verweist selbst auf Marktforschungen, die innerhalb eines Jahres massiv geändert wurden: So gingen die vom Ionity-CEO zitierten Studien im Jahr 2020 noch von einem Bedarf von 22.000 HPC-Ladepunkten aller Anbieter in ganz Europa aus. Nur ein Jahr später wurde für das selbe Zieljahr 2025 jedoch schon ein Bedarf von 89.000 HPC-Ladepunkten prognostiziert. Neben den deutlich nach oben korrigierten Prognosen sieht Hajesch in den Vorlaufzeiten eine weitere Herausforderung. Aktuell dauert es nach seinen Angaben sechs bis neun Monate, bis ein Ladepark steht.

„Wenn wir die Vorlaufzeiten und Prognosen sehen, muss man heute in diesen Markt investieren, um morgen für die Nachfrage bereit zu sein“, sagt Hajesch. „Wenn die Prognosen innerhalb von zwölf Monaten um 75.000 HPC erhöht werden, müssen wir aber auch beachten, dass nicht jeder Ladesäulen-Anbieter seine Produktion so schnell in diesem Maß skalieren kann. Der Absicherung der Lieferkette kommt eine große Bedeutung zu.“

Für den weiteren Ausbau sind aber nicht nur schnelle Ladepunkte an den richtigen Standorten wichtig, künftig kommen auch weitere Anforderungen hinzu – etwa ein Dach über der Ladestation, eine Durchfahrts-Lösung, Automaten zur Verpflegung oder gleich eine eigene Lounge für die Ladepause. „Das erhöht natürlich auch den Flächen-Bedarf und ist sehr kapitalintensiv“, sagt Hajesch. Es werden aber immer mehr Anbieter bereit sein, hierfür Geld auszugeben – damit der Endkunde diesen Standort einem anderen HPC entlang seiner Route vorzieht, weil die Aufenthaltsqualität höher ist. In den kommenden Wochen und Monaten sollen laut Hajesch die ersten Architektur-Projekte in dieser Richtung abgeschlossen werden.

Kann Batterie-gepuffertes Schnellladen die Netze entlasten?

Bei der Vorstellung der neuen Ionity-Strategie hatte das Lade-Joint-Venture noch angekündigt, künftig nicht nur an Fernstraßen, sondern auch in Städten bauen zu wollen. Hierzu präzisierte Hajesch bei electrive.net LIVE, dass der Fokus weiterhin auf der Langstrecke liegen werde. „In Städten werden wir eher opportunitätsgetrieben sein: Wenn sich eine Möglichkeit ergibt, greifen wir zu“, so der Ionity-Chef. „Dabei schauen wir aber auf wichtige Ausfall- und Ringstraßen, in der historischen Altstadt von Rom werden wir eher keine Station bauen.“

Einen ganz anderen Bereich des HPC-Markts als Ionity deckt das Unternehmen ADS-TEC Energy aus Nürtingen bei Stuttgart ab: Das inzwischen per SPAC-Fusion an der Nasdaq gelistete Unternehmen sieht sich als Komplettanbieter von Batterie-gestützten Schnellladern mit bis zu 320 kW. Hardware, Software und Service werden inhouse abgewickelt.

Mit seinen Lösungen will Thomas Speidel, Geschäftsführer der ADS-TEC Gruppe und Managing Director bei ADS-TEC Energy, Schnellladen auch dort ermöglichen, wo der Netzanschluss eine höhere Ladeleistung nicht zulässt. „Die Erfahrungen von Ladeanbietern zeigen: Wenn die Kunden die Wahl haben, entscheiden sie sich für die maximal mögliche Ladeleistung, die ihr Auto nutzen kann“, berichtet Speidel. „Das Limit darf nicht von der Ladestation oder dem Netz kommen.“

320 kW Ladeleistung bei 50-kW-Netzanschluss

Dafür hat ADS-TEC Energy die sogenannte ChargeBox entwickelt – in dem Würfel mit etwas über einem Meter Kantenlänge ist ein Speicher von 140 kWh verbaut. Dieser wird vom Netzanschluss mit weniger als 50 kW bis zu 110 kW nachgeladen. Aus der ChargeBox kann die Ladesäule mit bis zu 320 kW betrieben werden.

In seiner Präsentation rechnet Speidel zwei Beispiele durch, die auf die Ladekurve eines Tesla zurückgreifen – mit rund 190 kW im Peak und dann stetig sinkender Ladeleistung. Einmal ist die Batterie-gepufferte Ladestation mit 100 kW ans Netz angeschlossen, das andere Mal mit 50 kW. Wichtig: Dabei wird das Fahrzeug nicht ausschließlich mit dem in der ChargeBox gespeicherten Energie geladen – die ChargeBox stellt nur jene seitens des Fahrzeugs benötge Leistung, die über den Netzanschluss hinausgeht.

ADS-TEC Energy kündigt neues Produkt an

Bei seinem Auftritt kündigte Speidel zudem ein neues Produkt an: Während bei der ChargeBox die Batterie-Einheit und der eigentliche Ladepunkt getrennt sind – sie können je nach Standort bis zu 50 Meter auseinander platziert werden –, soll das bei dem neuen Modell ChargePost anders sein: Hier sind zwei Ladepunkte direkt in einer Einheit mit der Puffer-Batterie kombiniert. Die Größe der Einheit entspricht ungefähr der Batterie-gestützten Ladelösung, die VW und E.On gemeinsam entwickelt haben. Ein Unterschied: ADS-TEC Energy verbaut einen Bildschirm über fast die komplette Seitenwand, die für Werbeanzeigen genutzt werden kann – um zusätzliche Einnahmen zu generieren.

Egal ob ChargeBox oder ChargePost: Derartige Ladelösungen mit Pufferspeicher können laut Speidel das Schnellladen nicht nur an Standorten mit überschaubarem Netzanschluss attraktiv machen, sondern auch die Kosten beim Netzausbau gesenkt werden. Um einen HPC mit 300 kW zu betrieben, muss auch der Netzanschluss auf 300 kW ausgelegt werden. Aber: „Viele Autos können die maximale Leistung, auf die das Netz ausgelegt werden muss, nur kurz halten“, sagt Speidel.“ Dafür muss ich nicht das Netz ausbauen, sondern den kurzzeitigen Bedarf kann ich aus Puffer-Batterien boosten. Damit können wir enorme Über-Investitionen vermeiden.“

Die dritte Speakerin, Johanna Heckmann, Head of Charging Infrastructure bei P3 Automotive, hält die Batterie-gestützen Ladestationen in einigen Fällen für attraktiv – aber nicht als Allheilmittel, um den Netzausbau zu verringern. „Speicher ergeben Sinn an Standorten mit geringen Anzahl von Ladepunkten“, sagt Heckmann. „Wenn wir aber planen, einen Standort von heute vier bis sechs Ladepunkten später auf 20 skalieren zu wollen, ist der Netzausbau die ressoucenschonendere Variante.“

P3: Pläne der Autobauer übertreffen politische Ziele

In ihrem Vortrag geht die auf eMobility spezialisierte Unternehmensberaterin nochmals auf die P3-eigenen Prognosen zum HPC-Hochlauf ein. Bereits seit 2021 ist das High Power Charging laut der P3-Erhebung übrigens ein Milliardenmarkt, bis 2030 wird das Marktvolumen demnach auf knapp 15 Milliarden Euro steigen.

Wie viele (HPC-)Ladepunkte es aber 2030 geben wird – nicht zu vergleichen mit den von Hajesch für 2025 genannten Zahlen – hängt aber stark vom gewählten Szenario ab. Bisher war bei P3 für die Marktentwicklung immer der Rahmen der CO2-Regulation der Maßstab. Das würde in 2030 einen Bedarf von 34 Millionen Ladepunkten in ganz Europa ergeben, der überwiegende Teil davon als private Ladepunkte. Für die HPC-Ladepunkte geht P3 in diesem Fall von 140.000 Exemplaren aus.

Aber: Inzwischen gibt es ein zweites Szenario: Bisher war der Stand, dass die Autobauer nur die CO2-Vorgaben erfüllen werden, weshalb die oben beschriebene Betrachtung ausreichte. Für das sogenannte „OEM-Szenario“ hat P3 aber die eMobility-Strategien der Hersteller und die Plattform-Ankündigungen als Grundlage für den Markthochlauf bis 2030 genommen. Dann liegt der Bedarf plötzlich bei 44 Millionen Ladepunkten, davon 180.000 HPC.

Für das schnelle Laden unterwegs teilt Heckmann die Einschätzung von Thomas Speidel: „Selbst Kompaktautos können mit bis zu 100 kW laden. Und wenn das Auto das kann, will der Kunde das auch nutzen“, sagt die Lade-Expertin. HPC ist aber nicht nur aus Kundensicht einem langsameren DC-Lader zu bevorzugen, sondern auch aus Betreibersicht. „Der Investitionseinsatz ist bei HPC effizienter. Aus Betreibersicht haben wir im HPC-Bereich die Möglichkeit, profitabel zu arbeiten und ein Geschäftsmodell aufzubauen“, sagt Heckmann. „Der Break-Even liegt dann schon bei 15 Prozent Auslastung. Bei einem DC-Lader mit 50 kW benötige ich schon 20 Prozent Auslastung, um überhaupt den Break-Even zu erreichen – und danach bin ich weniger profitabel.“

HPC ist teurer, aber profitabler als langsamere DC-Lader

Bei den 15 Prozent zeitlicher Auslastung – also über einen Tag verteilt müsste der HPC rund 3,5 Stunden belegt sein – handelt es sich allerdings nur um einen Durchschnittswert. Laut Heckmann ist der Betrieb von HPC ein sehr lokal geprägtes Geschäftsmodell. „Die Kosten für den Bau und den Netzanschluss, aber auch die Attraktivität und das Erlöspotenzial hängen stark vom jeweiligen Standort ab“, sagt die Expertin. „Wir sind nicht wie bei Software in einem Plattform-Modell, das sich ab einem gewissen Punkt einfach skalieren lässt.“

Das hat auch der Bund erkannt, wie Sebastian Lahmann, Leiter Team Umsetzen der Nationalen Leitstelle Ladeinfrastruktur, im folgenden Paneltalk der Online-Konferenz berichtet. Ein Beispiel: „Teilweise ist an Supermärkten mit HPC-Säulen auf dem Parkplatz das Laden nur in den Geschäftszeiten möglich, weil lokale Vorgaben – sei es wegen Lärm oder einer nicht erlaubten Ausweitung der Geschäftszeiten – das verhindern“, sagt Lahmann. „Hier brauchen wir womöglich neue Regelungen.“

Dabei will die Nationale Leitstelle Ladeinfrastruktur nicht gegen, sondern mit den Gemeinden arbeiten. „Kommunen müssen stärker befähigt und eingebunden werden, da sie die Gegebenheiten vor Ort am besten kennen“, sagt Lahmann.

Der Beitrag „electrive.net LIVE“: HPC als Milliardenmarkt der Zukunft erschien zuerst auf electrive.net.

Quelle: Du hast nach feed gesucht – electrive.net

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